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Antonia’s Reaction: Psychologisierung und die Sprache der Unsichtbarkeit

Psychologisierung stabilisiert bestehende Machtstrukturen, indem sie Unsicherheiten verschleiert und systemisches Gaslighting ermöglicht. Unpräzise Begriffe wie ‚umstritten‘ schaffen nicht Klarheit, sondern Verunsicherung. Sprache ist nie neutral – sie kann Realität entweder sichtbar machen oder marginalisieren.

Dr. med. Karin Kelle-HerfurthDr. med. Karin Kelle-HerfurthBeratende Ärztin und Bildungspartnerin für NEUE WEGE ZUM GESUNDEN ERFOLG
#Psychologisierung und die Bedeutung von Hashtag#Sprache im Gesundheitskontext
Psychologisierung verschleiert systemische Missstände, indem sie komplexe Gesundheitsprobleme sprachlich vereinfacht und auf die individuelle Ebene verschiebt. Diese sprachliche Manipulation verstärkt Macht- und Abhängigkeitssysteme und schafft epistemische Ungerechtigkeit. Präzise und differenzierte Sprachmodelle sind notwendig, um reale Erfahrungen abzubilden und systemische Veränderungen zu fördern.

Dr. med. Karin Kelle-Herfurth legt den Finger in die Wunde: Psychologisierung dient nicht nur dazu, physische Symptome zu bagatellisieren, sondern sie ist ein strategisches Werkzeug, um komplexe Systemmängel zu verschleiern. Indem sie in sprachlichen Unschärfen verpackt wird, wird die eigentliche Problematik auf die individuelle Ebene verlagert – oder wie wir bei den Stewpunks sagen: Man gibt dem Topf die Schuld, wenn das Rezept nichts taugt.

Beispiel aus der Stewpunk-Küche

In einem unserer Projekte hatte ein Kunde massive Performance-Probleme. Die IT war chronisch überlastet, weil Arbeitsprozesse völlig veraltet waren und Schlüsselressourcen fehlten. Doch anstatt diese strukturellen Defizite anzugehen, drehte sich die Diskussion plötzlich um die ‘mangelnde Stressresistenz’ der Mitarbeitenden. Ein klassischer Fall von Psychologisierung: Der Arbeitsdruck war nicht das Problem, sondern die angeblich ‘unflexiblen Persönlichkeiten’. Damit wurden die Symptome umetikettiert, anstatt die eigentliche Ursache zu beseitigen.

Antonia’s Fazit:

Wenn Begriffe wie ‘Fatigue’ oder ‘Erschöpfung’ als oberflächliche Umschreibungen eingesetzt werden, um reale Gesundheitszustände wie ME/CFS auf psychologische Ursachen zu reduzieren, dann führt das zu epistemischer Ungerechtigkeit. Diese semantischen Unschärfen stabilisieren ungleiche Machtverhältnisse und verschieben die Verantwortung auf die Betroffenen. Das Ergebnis: Menschen mit realen, objektiven Beschwerden werden in die ‘subjektive Ecke’ gedrängt. Sie werden nicht ernst genommen, während das System in seiner Fehlsteuerung unangetastet bleibt.


Zusammenfassung und Lösungen:
  1. Herausforderung: Sprachliche Unschärfen als Machtmittel
    • Unscharfe Begriffe oder falsche Kategorisierungen (z.B. „Erschöpfung“ anstelle von „Post-exertional Malaise“) verharmlosen Krankheiten und lenken von den eigentlichen systemischen Problemen ab.
    • Diese Psychologisierung führt zu epistemischer Ungerechtigkeit, indem die Erfahrungen von Betroffenen abgewertet und ihre Perspektiven ausgegrenzt werden.
  2. Lösung: Präzise und differenzierte Sprache
    • Schaffung klarer sprachlicher Modelle für Symptome und Krankheitsbilder, um die Komplexität der Erfahrungen abzubilden und Missverständnisse zu vermeiden.
    • Orientierung an international anerkannten Leitlinien und Standards, um Verharmlosung und Mystifizierung von Krankheitsbildern zu verhindern.
  3. Herausforderung: Systemische Verzerrung und Gaslighting
    • Psychologisierung schafft narrative Verzerrungen, die Macht- und Abhängigkeitssysteme stabilisieren. Das gezielte Abwerten realer Erfahrungen („die Betroffenen sind schwierig“) untergräbt das Vertrauen in die Betroffenen und in behandelnde Ärzte.
  4. Lösung: Systemische Sprachkompetenz fördern
    • Aufbau von Analysefähigkeiten, die sprachliche Manipulationen erkennen und offenlegen.
    • Förderung von interdisziplinären Dialogen, die sowohl medizinische als auch soziale und strukturelle Perspektiven integrieren.
    • Einsatz von Sprache als Werkzeug, um Machtverhältnisse zu hinterfragen und die Wirklichkeit präziser abzubilden.
  5. Herausforderung: Manipulation und Konditionierung im beruflichen Kontext
    • In Unternehmen wird Psychologisierung oft genutzt, um strukturelle Probleme zu verschleiern. Mitarbeitende werden als unflexibel und wenig resilient dargestellt, um von Managementversäumnissen abzulenken.
  6. Lösung: Psychologische Modelle nicht als Ausrede missbrauchen
    • Klarheit über den Einsatz von psychologischen Modellen und Begriffen schaffen: Diese dürfen nicht zur Verschleierung von organisatorischen Defiziten missbraucht werden.
    • Stärkere Fokussierung auf systemische Veränderungen (z.B. Prozessoptimierungen, Ressourcenallokation) statt auf die angebliche ‘innere Widerstandsfähigkeit’ der Mitarbeitenden.

Fazit: Sprache kann Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse stabilisieren – oder transformieren. Der bewusste und verantwortungsvolle Umgang mit Begriffen ist der Schlüssel, um epistemische Ungerechtigkeiten zu vermeiden und wirkliche Veränderung zu bewirken.

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